Medien des Ungehorsams. Zur Geschichtlichkeit von Medienaktivismus
Grotesker Körper, Festmahl, Rituale der Wiedergeburt: die Ästhetik des medialen Ungehorsams hat Vorläufer in der Karnevalskultur vergangener Jahrhunderte.
1. Vorfreude
Der Rede von digitalen Medien haftet häufig etwas Ungeschichtliches an. Die Rhetorik, welche die Neuerungen in diesem Bereich begleitet, setzt sich gerne als eine Art historischer Nullpunkt, von dem aus es nur eine Blickrichtung gibt, nämlich jene nach vorne. Das Verhängnisvolle an dieser Sichtweise ist freilich, dass Zukunft erneut nichts anderes sein kann als der Moment einer Neuerung, und damit eine Widerholung des bereits Geschehenen, das als solches jedoch nicht wahrgenommen wird, weil es sofort aus dem Blickfeld gerät: Daten werden immer rascher unbrauchbar, Innovationszyklen verkürzen sich, die Befreiung von der auf der Tradition lastenden Schwere des Ursprungs scheint den Preis einer digital induzierten Amnesie zu fordern (Sützl 2004).
Dieses Ausscheiden der Neuen Medien aus der Geschichte lässt sich exemplarisch am Werbeslogan Microsofts aus den 1990er-Jahren ablesen: Where do you want to go today? Er veranschaulicht eine Perspektive, in welcher die Gegenwart jeden Tag aufs Neue als ein hinter sich zu lassender Ort erscheint, voll des Strebens nach vorne, das folgerichtig von großen Unternehmen explizit als niemals zu stillende Vorfreude vermarktet wird, die ein immer neu zu verkaufendes Produkt darstellt (vgl. Abb. 1).
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